Der WaschBecken Fall
Es war kurz nach Mitternacht im Speicher Erfurt – die Lichterketten im Biergarten glommen nur noch matt, das Klirren von Gläsern wurde seltener, und die Musik war auf ein leises Summen heruntergedreht. Der Barkeeper hatte gerade das letzte Tannenzäpfle geöffnet, als ein lautes Krachen aus der Toilette drang.
„Nicht schon wieder“, murmelte er.
Der Speicher hatte Geschichte – und Geheimnisse. Alte Mauern, viele Geschichten, viele Nächte. Aber dass ein Waschbecken mitten in der Nacht zu Bruch ging, war selbst für diesen Ort ungewöhnlich.
Er ging hinüber, öffnete vorsichtig die Tür zum Waschraum – und blieb stehen.
Das Waschbecken lag in Scherben. Und darunter – Blut.
Er rief die Polizei.
Kommissarin Weber war zehn Minuten später da. Eine, die mehr an Logik als an Zufall glaubte.
„Wer war als Letzter hier?“
„Ein Gast – blond, vielleicht dreißig. Kam gegen elf, ging nicht mehr raus. Hatte Streit mit einem Musiker.“
„Und wo ist der Musiker?“
„Weg. Wollte sich noch ’ne Zigarette anzünden und ist hinten durch den Hof raus.“
Weber betrachtete das Becken. Ein schweres, altes Keramikmodell, von der Wand gerissen, als hätte jemand dagegen geschleudert.
„Das hier war kein Unfall“, murmelte sie. „Jemand wurde gestoßen. Oder hat gekämpft.“
Sie fand ein Stück Stoff zwischen den Scherben – dunkelblau, mit einer kleinen goldenen Stickerei: Jazz & Co.
„Die Band vom Abend?“ fragte sie den Barkeeper.
„Ja. Der Bassist trägt immer so ein Hemd.“
Draußen im Hof fand Weber Zigarettenasche, eine Spur Blut – und den Bass, achtlos gegen die Wand gelehnt.
„Kein Instrumentenliebhaber würde das so liegen lassen,“ sagte sie leise.
Gegen zwei Uhr morgens kam der Bassist zurück.
„Ich hab nur frische Luft gebraucht,“ stammelte er, als Weber ihn festhielt.
„Und dabei das Waschbecken demoliert?“
„Ich schwör, das war sie! Sie ist ausgerutscht! Wir haben gestritten, ja, aber…“
„Worüber?“
Er schwieg.
Weber sah ihm in die Augen. Da war Angst, aber auch Schuld.
„Wir haben gespielt – sie wollte mit uns auf Tour. Ich hab Nein gesagt. Sie war wütend. Ich bin ihr nachgegangen, sie hat mich geschubst, ich wollte sie festhalten… und dann fiel sie.“
„Und das Blut?“
„Sie hat sich am Becken geschnitten, wollte keinen Arzt, ist rausgerannt. Ich dachte, sie kommt wieder…“
Weber seufzte. Kein Mord, kein Plan – nur ein Streit, ein Sturz, ein zu spätes Bedauern.
Sie ließ ihn sitzen, machte Notizen und sah sich noch einmal um.
Am Waschbeckenrand war ein Abdruck: eine Hand – klein, schmal, mit rotem Nagellack. Daneben ein Tropfen getrockneten Bieres.
Am nächsten Morgen fand man sie tatsächlich: in einer Pension um die Ecke, verbunden, blass – aber lebend.
Und das Becken? Wurde ersetzt. Doch seit jener Nacht, so sagt man im Speicher, tropft es manchmal leise, selbst wenn kein Wasser läuft.
Ein Echo jener Stunde, als Musik, Eifersucht und Keramik aufeinanderprallten.